Sonntag, 28. Dezember 2008

Osechi, Zoni und Mochi: Abenteuer an Neujahr

Zoni und Mochi: Das sind nicht die neuen Spitznamen von Merkel und Müntefering. Es handelt sich auch nicht um zwei neue Anime-Helden Japans. Zoni mit Mochi ist vielmehr eine beliebte Neujahrssuppe, die in den nächsten Tagen in den meisten japanischen Familien auf den Tisch kommt und vermutlich wieder dem ein oder anderen das Leben kosten wird. Aber der Reihe nach:

Weihnachten wurde natürlich auch im Land des Shinto und Buddhismus abgefeiert. Anders als in Deutschland ist Weihnachten hier aber kein Familienfest. Junge Paare verziehen sich in schnieke Restaurants oder nach Disneyland. Gesetztere Paare machen sich zuhause einen schönen Abend - mit erstaunlichen Spezialitäten: Japans Männer waren offenbar beauftragt worden, auf dem Heimweg vom Büro eine Erdbeertorte zu kaufen. Jedenfalls hatte sich vor dem extra zu Weihnachten errichteten Erdbeertortenstand am Abend eine lange Schlange völlig übermüdeter Salarymen gebildet. Zur Erdebeertorte wird anscheinend gerne das Hähnchen-Set von Kentucky Fried Chicken gereicht, denn schon um 20 Uhr schrie am Bahnhof eine Frau völlig entgeistert in ihr Handy: "Das Hähnchen-Set von KFC ist ausverkauft."

Nach dem importierten Westfest steuert Japan nun unaufhaltsam auf das wichtigste Familienfest des Jahres zu: Neujahr. Schon am Samstag sind viele Japaner Richtung Eltern und Großeltern aufgebrochen. Auf Flughäfen, Bahnhöfen und Autobahnen herrscht daher Ausnahmezustand, der bis Dienstag weiter anschwellen wird. Alle, die Tokio nicht verlassen müssen, haben dagegen Glück: Die Stadt wird langsam etwas leerer und der Alltag ein wenig langsamer.

Wer an Silvester Feuerwerk, wilde Partys und aufregende Abenteuer erwartet, ist in Japan im falschen Land. Das neue Jahr wird ruhig begonnen. Betäubt beschreibt meinen Zustand im vergangenen Jahr wohl besser. Schuld war der traditionelle Musikwettbewerb, der Kouhaku Uta Gassen, den ich mir stundenlang im Fernsehen angesehen hatte. Das machen viele Japaner. Also wollte ich das auch machen. Das Ganze ist so eine Art japanischer Eurovision Song Contest, der sich endlos hinzieht. Es treten Männer gegen Frauen an und damit die Sendung auch wirklich der ganzen Familie hilft, die endlose Zeit bis Mitternacht tot zu schlagen, nehmen alle Altersgruppen der japanischen Musikszene teil - vom steinalten Enka-Barden bis zur blutjungen JPop-Hupfdohle. Nach wenigen Liedern war Sanaes Großmutter eingeschlafen. Kurze Zeit später schlummerte die ganze Familie selig vor sich hin. Nur ich saß da mit Bier und kultureller Neugier, bestaunte hochtupierte Haare sowie flache Synthie-Sounds und beneidete mal wieder Japaner dafür, dass sie praktisch zu jeder Tageszeit und an jedem Ort sofort einschlafen können.

Neben musikalischen Hochgenüssen gibt sich Japan an Silvester den kulinarischen Freuden hin. 76 Prozent der Japaner nehmen über die Neujahrsfeiertage zu. (Mit der Statistik bewirbt Nintendo jedenfalls gerade seine Wii Fit.) Gegessen wird vor allem Osechi, eine Art kalte Platte, die aus vielen einzelnen Gerichten besteht. Osechi wird vor dem Neujahrsfest zubereitet und dann über drei Tage hinweg gegessen. Auf diese Weise muss die Familie nicht kochen, sondern kann sich aufs Essen konzentrieren. Mit anderen Worten: Osechi ist die Bockwurst mit Kartoffelsalat Japans. Die einzelnen Gerichte werden in lackierten Schalen gelagert, die man zwischen den Mahlzeiten übereinander stapelt. Im vergangenen Jahr wurde ich damit beauftragt, den Schalenstapel nach jedem Essen ins Badezimmer zu schleppen, weil es dort am kühlsten war. Da mir im Alter von 10 Jahren auf der wichtigsten Familienfeier meines Lebens die gesamte Kuchenplatte hingefallen ist und der humoristische Aspekt von meiner Familie damals leider verkannt wurde, habe ich mich dieses Mal konzentriert und die Sache ganz gut hinbekommen.

Neben Osechi kommt traditionell die bereits erwähnte Zoni mit Mochi auf den Neujahrstisch. Zoni ist eine Suppe. Im Großraum Tokio basiert sie auf Sojasoße, im Großraum Osaka auf Miso. Was sonst noch in Zoni reinkommt, hängt neben der Region von der Familie ab. Auf jeden Fall schwimmen in der Suppe aber Mochi, also Reiskuchen, die so klebrig sind, dass jedes Jahr einige ältere Japaner daran ersticken. Im vergangenen Jahr waren es zwei, elf weitere mussten im Krankenhaus behandelt werden. In diesem Sinne: Guten Rutsch.

Im Wesentlichen dürfte mein Neujahrsfest in diesem Jahr so ablaufen wie das letzte. Mit einer Änderung: Die 92-jährige Großmutter wurde in dieses Mal von Sanaes Onkel gebucht und wird ihr Nickerchen daher vor einem anderen Fernseher halten. Schade.

2 Kommentare:

Numi hat gesagt…

Hahaha, icha habe kein KFC gekauft^^Du bist recht.Die vielen Leute wollten es kaufen^^Als ich Kind war, habe ich auch es bekommen.

Nun, ich habe dein Blog in meinem Blog verstellt als meine Blog-List.Wenn du es nicht willst, sag mal mir bitte.

shitamachi hat gesagt…

Ich hätte als Kind bestimmt auch lieber KFC-Hähnchen gegessen als das Essen meiner Mutter...Mittlerweile isst meine Familie an Weihnachten immer Fleischfondue, also so eine Art Nabe. Das erfüllt den gleichen Zweck wie osechi: Es verursacht am Weihnachtsabend wenig Arbeit