Bei manchem japanischen Teenager liegen die Nerven zurzeit blank. Mathematische Formeln, Englische Vokabeln, Geschichtsdaten – all das muss jetzt möglichst schnell hinein ins Kurzzeitgedächtnis, denn zwischen Dezember und März bitten Schulen und Universitäten des Landes zu ihren Aufnahmetests. Viele Jugendliche haben sich seit Monaten auf diesen Moment vorbereitet, haben nachmittags in Nachhilfeschulen gelernt, abends im Kinderzimmer gelesen und während der morgendlichen Bahnfahrten noch einmal alles wiederholt. Auf dem Spiel steht eine Menge. Zwar garantiert das Diplom einer guten Uni nicht mehr unbedingt eine steile Karriere, aber es erleichtert sie immer noch ungemein.
Japans Wirtschaft hat die gestressten Teenager und ihre besorgten Eltern seit einiger Zeit als Kunden entdeckt. Ein Hersteller von Süßigkeiten beispielsweise nennt seine Schokoladen-Keks-Stangen vorübergehend nicht mehr Toppo, sondern Toppa, was im Japanischen ungefähr Durchbruch oder Erfolg heißt. KitKat musste sich gar nicht erst umbenennen. Der Firmenname klingt bereits wie die japanische Phrase „Er (oder sie) wird bestimmt Erfolg haben“. Um auch wirklich auf der Prüfungswelle reiten zu können, druckt KitKat derzeit auf seine Verpackungen blühende Kirschbaumblüten. Die gelten in Japan als Symbol für Prüfungserfolge – eine Symbolik, deren Ursprünge im Telegrafenzeitalter liegen. Damals wollten die angesehenen Universitäten nicht einfach ein schnödes Telegramm schicken mit der Nachricht: Matsumoto-san hat die Prüfung bestanden. Stattdessen flüchteten sie sich in blumige Formulierungen und schrieben: Die Kirschblüten blühen. Wer die Prüfung in den Sand gesetzt hatte, bekam die Botschaft: Die Kirschblüten sind abgefallen.
Neben den Herstellern von Süßigkeiten machen derzeit auch andere japanische Firmen gute Geschäfte mit den Prüfungsteilnehmern. Die Produzenten von Instant-Nudelsuppen beispielsweise preisen ihre Produkte als Glücksbringer an, Sega hat eine Countdown-Uhr auf den Markt gebracht, die die verbleibende Zeit bis zum großen Moment anzeigt und eine Kosmetikfirma verspricht, dass ihre Lotion die verspannte Schülerkopfhaut umschmeichelt und so für einen klaren Kopf sorgt. Gut beschrieben sind Uhren, Lotion und Nudelsuppen auf den Seiten von CScout Japan.
Ein Produkt haben die Trendforscher von CScout allerdings übergangen: Der Utsunomiya Zoo presst derzeit Elefanten-Dung zu kleinen Glücksbringern, die beim Aufnahmetest helfen sollen. Die deutsche Redewendung „Er macht aus Scheiße Geld“ wurde sicherlich selten so konsequent umgesetzt.
Manche Eltern misstrauen aber sowohl den Glücksbringern als auch den eigenen Kindern und nehmen die Sache daher selber in die Hand. So wurde vor kurzem ein Vater erwischt, der anstelle seines Sohnes zu einer Uni-Prüfung erschienen war. Der Fall hat es sogar auf Spiegel Online geschafft. Noch besser hat mir aber ein Betrugsversuch gefallen, der sich vor einigen Jahren ereignet hat. Damals wollte ein Vater die Prüfung für seine Tochter in einer Frauenuniversität schreiben – verkleidet als Mädchen mit Perücke und Rock.
Mittwoch, 21. Januar 2009
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