Freitag, 30. Januar 2009

Ja-Sagen in Japan

Japanische Hochzeitsfeiern sind strenger durchorganisiert als deutsche Kaffeefahrten. Ständig passiert irgendetwas. Braupaar kommt rein. Kurze Rede Bräutigam. Kurze Rede Braut. Video zeigt Bräutigam nackt als Zweijährigen. Gelächter. Video zeigt Braut als Kind im Kimono. Oooohhh. Kawaiiiii. Süüüüß. Auf Dias spaziert das frisch verliebte Paar durch Disneyland. Jetzt bitte alle raus in den Garten. Kleines Feuerwerk. Der Brautstrauß fliegt durch die Luft. Alle wieder rein. Das Brautpaar zieht sich um. Klatschmarsch. Schnell den Hauptgang herunter schlingen bevor das Steak kalt wird. Der Chef des Bräutigams hält eine Rede. Der Vorgesetzte der Braut auch. Die Eltern schenken Sake aus. Ein paar Kollegen führen einen albernen Sketch auf mit Transvestiten-Witzen und Krankenschwester-Kostümen. Aus Gelächter wird Gejohle. Noch ein Bier. Die zwei Stunden sind rum. Der offizielle Teil ist vorbei.

Mir gefällt das alles sehr gut, denn die Organisation hat einen unschlagbaren Vorteil: Es bleibt keine Zeit für quälenden Smalltalk mit anderen Gästen. Meine Tischnachbarin hat mir in wenigen Minuten atemlos ein paar Grundinformationen zugeraunt: Komme aus Korea, lange in den USA gelebt, arbeite für amerikanische Bank – solange die Bank mein Projekt nicht beerdigt und mich entlässt. Kurzes gemeinsames Wirtschaftskrisen-Lachen. Dann geht das Programm auch schon weiter.

An den offiziellen Teil mit Eltern, Verwandten und engen Freunden schließt sich die Party mit Bekannten und Kollegen an. Die dauert ebenfalls exakt zwei Stunden und ist ähnlich organisiert: Noch mal die gleichen Videos, wieder ein paar Reden. Dazu Bier, Sake und Buffet. Plötzlich wird ein Freund auf die Bühne gezerrt. Der soll Karaoke singen, ist ungefähr 1,50 Meter groß und trägt einen Anzug, der Helmut Kohl gepasst hätte. Die Menge ist begeistert, das Brautpaar zieht sich noch mal um. Dann Tombola. Eine junge Frau gewinnt zwei Tickets für Disneyland und erklärt, dass sie leider keinen Freund habe, der sie begleiten könne. Sofort springen 20, 30 junge Japaner auf, schreien: ich, ich, hier, nimm mich. Manchmal mag ich diesen kindlichen, albernen Humor sehr. Dann geht grelles Licht an. Die Kellner räumen die Tische ab. Schluss mit Party. Es ist 7 Uhr abends. Zum Abschied bekommen alle eine schöne Tüte geschenkt. Darin sind ein paar Süßigkeiten und ein Katalog. Aus dem können wir uns zuhause ein kleines Geschenk auswählen, mit dem sich das Brautpaar für unseren Besuch bedankt. Zur Auswahl stehen Pfannen, Teller, Onsen-Gutscheine und eine Menge mehr. Mal sehen, ob die morgige Hochzeitsfeier ähnlich abläuft.

Donnerstag, 29. Januar 2009

Kekkon shiki binbo!

Ich leide unter akuter kekkon shiki binbo. Eine elegante Übersetzung ist mir dafür noch nicht eingefallen. Der Begriff meint augenzwinkernd, dass manche Japaner verarmen, weil sie an zu vielen Hochzeitsfeiern teilnehmen müssen. Im Gegensatz zu den Deutschen lassen sich japanische Brautpaare nämlich nicht mit der Küchenmaschine "Fleißiges Lieschen 2000" oder dem Teeservice "Göteborg" abspeisen. Vielmehr erwarten sie von ihren Gästen Bares. Wer zu zweit an einer Hochzeitsfeier teilnimmt, sollte 50.000 Yen abdrücken. Dazu kommen nochmal rund 15.000 Yen für die anschließende Party und die Kosten für An- und Abreise. Die letzte Hochzeitsfeier im Dezember hat uns daher insgesamt rund 70.000 Yen gekostet - fast 600 Euro. Am Wochenende steht die nächste Hochzeit an. Eine dritte Freundin von Sanae hat sich Gott sei Dank entschieden, im engsten Familienkreis auf einer Südseeinsel zu heiraten. Meinen Segen hat sie.

Mittwoch, 28. Januar 2009

Linktipp: Bergsteigerparadies Japan

Wegen Zeitmangel heute nur ein Linktipp: Hiking and climbing in Japan. Ich bin ein großer Fan dieser Seite, vor allem wegen der Bilder, aber die Texte sind auch sehr schön, fast schon poetisch. Als Rheinländer lasse ich die Tiefschnee bedeckten japanischen Alpen im Winter lieber links liegen und begnüge mich mit dem entspannten Mittelgebirge in der Umgebung Tokios. Die Hiking and Climbing-Seite ist daher für mich zur Zeit eine Art Bergwanderung-Ersatz.

Dienstag, 27. Januar 2009

Daijingu


Der Daijingu ist unter Tokios Shinto-Schreinen die Topadresse in Liebesfragen. Junge Japaner und vor allem Japanerinnen beten im Daijingu dafür, dass ihre Beziehung glücklich bleibt oder dass sie bald einen großartigen Freund finden.

Das Glück kommt aus roten Kästen: Omikuji-Automat

Omikuji o hiku: Im Daijingu können sich die Besucher (wie in vielen Schreinen) an roten Automaten einen kleinen Zettel ziehen. Dieser so genannte Omikuji ist eine Art Glückskeks, nur etwas ausführlicher. Zunächst gibt es fünf Glückslevel. Mein Omikuji bescheinigte mir für 2009 den höchsten Glückslevel. Dann geht der Text auf Details ein, wie Gesundheit, Beruf, Liebe usw. Das Ganze ist eher ein Spass und wird von den meisten vermutlich nicht allzu ernst genommen.


Nachdem die Besucher ihren Omikuji sorgfältig durchgelesen haben, knoten sie den Zettel an einen der vielen Ständer im Daijingu.

Montag, 26. Januar 2009

Asashoryu vs Hakuho

Zeremonie zu Beginn des Turniertages

"Ha-ku-ho, Ha-ku-ho", schallt es durch die ausverkaufte Halle. Seit Stunden haben die 13.000 Zuschauer auf diesen Moment gewartet: Hakuho gegen Asashoryu. Das Match der Yokozuna, der beiden Ringer mit dem höchsten Rang im Sumo-Sport. Es ist der Höhepunkt des zweiwöchigen Hatsu Basho Turniers und ein Finale, das sich jede Sportart wünscht: Guter Junge gegen Bad Boy, der Publikumsliebling gegen den strauchelnden Rüpel. Die Ausgangslage für diesen Ringkampf hätte nicht spannender sein können: Der beliebte Hakuho hatte während der vergangenen zwei Wochen nur einen Kampf verloren. Yokozuna Asashoryu war noch unbesiegt. Würde Hakuho gewinnen, hätten beide die gleiche Anzahl von Siegen auf ihrem Konto und es gäbe ein zweites Match um den Turniersieg. Würde Asashoryu gewinnen, wäre ihm der Turniersieg nicht mehr zu nehmen.


Mein bescheidener Stitching-Versuch: Das ausverkaufte Ryogoku Kokugikan

Jetzt stehen sich beide gegenüber, gehen in die Hocke, sehen sich in die Augen. Doch Hakuho lässt sich Zeit, richtet sich wieder auf, geht in die Ecke, wischt sich das Gesicht, schlägt sich mit der Faust gegen den Gürtel, dann zurück in den Ring, wieder in die Hocke. Dreimal geht das so. Sein mongolischer Landsmann Asashoryu wirkt entschlossener. Als Hakuho zum dritten Mal in die Ringecke geht, wirft Asashoryu energisch die Arme in die Luft. Die Zuschauer raunen. Als der Kampf schließlich beginnt, geht plötzlich alles sehr schnell. 300 Kilogramm Fleisch und Muskeln prallen lautstarkt aufeinander. Beide versuchen den Gürtel ihres Gegners zu packen. Hakuho gelingt das besser. Mit zwei, drei kurzen Schritten schiebt er Asashoryu aus dem Ring. Die Halle tobt. Der Mann vor mir ballt die Faust und umarmt seinen Sohn. Der ist drei, vier Jahre alt und weiß gar nicht so recht, was gerade vor sich geht. Mein Sitznachbar dagegen ist in sich zusammengefallen, kauert still auf seinem Platz und schüttelt den Kopf. Auch Asashoryu hat also seine Fans - und die hoffen jetzt auf den zweiten Kampf der beiden, der in wenigen Minuten das Turnier entscheiden wird.



Die gleiche Prozedur also noch einmal: In die Hocke, in die Ringecke, Gesicht wischen, wieder zurück in den Ring. Dann der Kampf. Jetzt erwischt Asashoryu die bessere Ausgangsposition, er greift den Gürtel von Hakuho, wuchtet die 154 Kilo in die Höhe und trägt seinen Gegner aus dem Ring. Die Zuschauer wirken enttäuscht, klatschen aber lautstark Beifall. Er hat es also doch wieder geschafft. Rufe nach einem Rückzug Asashoryus aus dem Sumo-Sport dürften erstmal wieder verstummen.



Nach dem Ringkampf wird Asashoryu interviewt. Ihm laufen Tränen über das Gesicht. "Ich habe gewonnen", ruft er in die Halle und beteuert: "Ich liebe Japan". Mancher Zuschauer brummt etwas ungläubig, aber der Respekt für die Sumo-Sportler ist riesig. Buh-Rufe oder Pfeifen hört man jedenfalls nicht. Seinen Pokal erhält Asashoryu dann vom japanischen Ministerpräsidenten Aso. Anschließend wird er mit Präsenten überhäuft. Der Botschafter Mexikos zum Beispiel steigt in den Ring und verspricht ihm ein Jahr lang Freibier. Der Botschafter der Vereinigten Arabischen Emiraten schenkt - wie sollte es anders sein - ein Jahr lang Benzin. So geht das eine halbe Stunde: Einer nach dem anderen klettert in den Ring und liest seine Geschenkeliste vor: Von Miyazaki, einer Region im Süden Japans, bekommt Asashoryu ein Rind und eine Tonne Obst. Der japanische Landwirtschaftsverband spendet eine Tonne Chanko, den bei Sumo-Ringern so beliebten Eintopf. Zum Schluss steht noch eine Zeremonie an: Die Götter sollen verabschiedet werden. Dazu werfen ein paar Nachwuchsringer den Ringrichter dreimal in die Höhe. Beim dritten Mal fangen sie ihn beinahe nicht mehr auf. Der Ringrichter kriecht über den Boden, sucht sein schwarzes Hütchen, die Zuschauer sind amsüsiert. Ein netter Abschluss eines packenden Tages.



Ritual vor Beginn des Ringkampfes

Wer die Ultraman-Figur schon hat: Wieso nicht einen Plastik-Ringer kaufen?


Zur Mittagszeit mühen sich die Ringer der dritten Liga vor leeren Rängen ab.

Sonntag, 25. Januar 2009

Hatsu Basho Finale


Die beiden Yokozuna kurz vor ihrem entscheidenden Aufeinandertreffen am letzten Tag des Hatsu Basho.

Samstag, 24. Januar 2009

Scotch Hausen

"Scotch Hausen" vom japanischen Chiptune-Musiker DJ Scotch Egg. Stockhausen hätten es bestimmt gefallen.

DJ Scotch Egg - Scotch Hausen

Freitag, 23. Januar 2009

Asashoryu

Beim aktuellen Sumo-Turnier liegt bislang der mongolische Ringer Asashoryu in Führung, der als Yokozuna gemeinsam mit seinem Landsmann Hakuho so eine Art Weltranglisten-Erster ist. Für Asashoryu steht viel auf dem Spiel, denn er hat sich in den vergangenen Jahren unter Japans konservativen Sumo-Fans viele Feinde gemacht. Als ich im Sommer 2007 nach Japan kam, war der mongolische Yokozuna praktisch jeden Tag in den Schlagzeilen. Asashoryu hatte damals seine Teilnahme an einem Schauturnier wegen einer Verletzung abgesagt. Wenige Tage später tauchten Fernsehbilder auf, die ihn bei einem Benefiz-Fußballspiel in der Mongolei zeigten. Auf den Bildern sprintete der 150-Kilo-Ringer erstaunlich spritzig über den Platz, von einer Verletzung keine Spur. Japan war empört. Belogen. Getäuscht. Asashoryu solle zurücktreten, forderten Fans und Medien unisono. Und als der Mongole wieder nach Japan zurückkehrte, berichteten die Fernsehsender live aus dem Flugzeug.

Nach der Affäre wurde er für zwei Turniere gesperrt. In den vergangenen Monaten war er dann öfters verletzt und hatte daher wenig Gelegenheit zur Wiedergutmachung. Mancher Sumo-Fan kocht daher immer noch vor Wut. In der vergangenen Woche beispielsweise tauchten Morddrohungen gegen Asashoryu auf. Mittlerweile hat sich ein Mann aus Hokkaido der Polizei gestellt und die Drohungen gestanden. Seine Begründung: Asashoryu habe sich für einen Yokozuna nicht ehrenhaft verhalten.

Donnerstag, 22. Januar 2009

Hatsu Basho - Zwei Wampen gegen Ryogoku

Japans Sumo Tempel in Ryogoku


Dicke Männer in Unterhosen haben mich bislang nicht sonderlich interessiert. In Deutschland habe ich mir selbst an verregneten, langweiligen Sonntagen die Sumo-Übertragungen auf Eurosport maximal ein paar Minuten angesehen und dann in die zweihundertste Wiederholung von „Vier Fäuste gegen Rio“ reingezappt. Aber jetzt wohne ich in Japan und da dachte ich: Einmal muss sein. Also bin ich Anfang Dezember früh morgens in den Stadtteil Ryogoku gefahren, habe mich in eine kompliziert organisierte, disziplinierte Warteschlange eingereiht und die zwei billigsten Tickets für das erste große Turnier des Jahres gekauft. Der Wettkampf, der so genannte Hatsu-Basho, läuft seit knapp zwei Wochen und meine Tickets gelten für den kommenden Sonntag, den letzten und hoffentlich spannendsten Tag. Bei Sumo-Wettkämpfen ringen alle Teilnehmer gegeneinander und wer nach zwei Wochen die meisten Siege auf dem Konto hat, gewinnt. Es kann also sein, dass schon alles entschieden ist, wenn ich am Sonntag an den Ring steige.

Damit ich dann nicht wie der Ochs vorm Fleischberg stehe, habe ich mir zumindest mal einige grundlegende Informationen angelesen: Sumo-Ringkämpfe werden in Japan bereits seit 1.500 Jahren ausgetragen. Zunächst war Sumo kein Sport, sondern ein Ritual zu Ehren der Götter. Dieser Ursprung zeigt sich heute noch in den vielen wichtigen Zeremonien und festgelegten Handlungen vor und nach einem Kampf. Ab dem achten Jahrhundert wurden Sumo-Kämpfe als jährliches „Sportereignis“ im Kaiserpalast ausgetragen, professionelle Ringkämpfer gibt es seit der Edo-Zeit, in der auch der japanische Sumo-Verband gegründet wurde. Die grundlegenden Regeln sind einfach: Verloren hat, wer aus dem Ring gedrängt wird oder mit einem anderen Körperteil als den Füßen den Boden berührt.

Mittwoch, 21. Januar 2009

Mit Elefantenmist in die Eliteuni

Bei manchem japanischen Teenager liegen die Nerven zurzeit blank. Mathematische Formeln, Englische Vokabeln, Geschichtsdaten – all das muss jetzt möglichst schnell hinein ins Kurzzeitgedächtnis, denn zwischen Dezember und März bitten Schulen und Universitäten des Landes zu ihren Aufnahmetests. Viele Jugendliche haben sich seit Monaten auf diesen Moment vorbereitet, haben nachmittags in Nachhilfeschulen gelernt, abends im Kinderzimmer gelesen und während der morgendlichen Bahnfahrten noch einmal alles wiederholt. Auf dem Spiel steht eine Menge. Zwar garantiert das Diplom einer guten Uni nicht mehr unbedingt eine steile Karriere, aber es erleichtert sie immer noch ungemein.

Japans Wirtschaft hat die gestressten Teenager und ihre besorgten Eltern seit einiger Zeit als Kunden entdeckt. Ein Hersteller von Süßigkeiten beispielsweise nennt seine Schokoladen-Keks-Stangen vorübergehend nicht mehr Toppo, sondern Toppa, was im Japanischen ungefähr Durchbruch oder Erfolg heißt. KitKat musste sich gar nicht erst umbenennen. Der Firmenname klingt bereits wie die japanische Phrase „Er (oder sie) wird bestimmt Erfolg haben“. Um auch wirklich auf der Prüfungswelle reiten zu können, druckt KitKat derzeit auf seine Verpackungen blühende Kirschbaumblüten. Die gelten in Japan als Symbol für Prüfungserfolge – eine Symbolik, deren Ursprünge im Telegrafenzeitalter liegen. Damals wollten die angesehenen Universitäten nicht einfach ein schnödes Telegramm schicken mit der Nachricht: Matsumoto-san hat die Prüfung bestanden. Stattdessen flüchteten sie sich in blumige Formulierungen und schrieben: Die Kirschblüten blühen. Wer die Prüfung in den Sand gesetzt hatte, bekam die Botschaft: Die Kirschblüten sind abgefallen.

Neben den Herstellern von Süßigkeiten machen derzeit auch andere japanische Firmen gute Geschäfte mit den Prüfungsteilnehmern. Die Produzenten von Instant-Nudelsuppen beispielsweise preisen ihre Produkte als Glücksbringer an, Sega hat eine Countdown-Uhr auf den Markt gebracht, die die verbleibende Zeit bis zum großen Moment anzeigt und eine Kosmetikfirma verspricht, dass ihre Lotion die verspannte Schülerkopfhaut umschmeichelt und so für einen klaren Kopf sorgt. Gut beschrieben sind Uhren, Lotion und Nudelsuppen auf den Seiten von CScout Japan.

Ein Produkt haben die Trendforscher von CScout allerdings übergangen: Der Utsunomiya Zoo presst derzeit Elefanten-Dung zu kleinen Glücksbringern, die beim Aufnahmetest helfen sollen. Die deutsche Redewendung „Er macht aus Scheiße Geld“ wurde sicherlich selten so konsequent umgesetzt.

Manche Eltern misstrauen aber sowohl den Glücksbringern als auch den eigenen Kindern und nehmen die Sache daher selber in die Hand. So wurde vor kurzem ein Vater erwischt, der anstelle seines Sohnes zu einer Uni-Prüfung erschienen war. Der Fall hat es sogar auf Spiegel Online geschafft. Noch besser hat mir aber ein Betrugsversuch gefallen, der sich vor einigen Jahren ereignet hat. Damals wollte ein Vater die Prüfung für seine Tochter in einer Frauenuniversität schreiben – verkleidet als Mädchen mit Perücke und Rock.

Dienstag, 20. Januar 2009

Izutaga


Izutaga ist zwei Stationen entfernt von Atami. Die Ansammlung drittklassiger Hotels an einer viel befahrenen Küstenstraße wäre keinen Blogeintrag wert, wenn sie nicht so einen schönen Onsen direkt am Meer hätte. Im Gegensatz zu den Onsen in Atami war hier selbst am Wochenende nicht viel los. Lange Zeit war ich der einzige Badegast. Erst als ich mitsamt meiner Kamera im Wasser stand, um die Lampe zu fotografieren, kam ein älterer Mann rein und sah etwas erschrocken aus.



Montag, 19. Januar 2009

Atami


Tsunami, Touristenschwemme, Niedergang - die Küstenstadt Atami hat schon viel mitgemacht. Nach dem großen Kanto-Erdbeben von 1923 überschwemmte ein gewaltiger Tsunami die Stadt und riss rund 300 Einwohner in den Tod. Anschließend berappelte sich Atami wieder und wurde bei den Tokiotern als Ziel für Hochzeitsreisen beliebt. Die jungen Paare schätzten neben Strand, Meer und guten Fischgerichten vor allem die Onsen von Atami. Nach und nach lockten die Reize Atamis immer mehr Einwohner von Tokio in die Küstenstadt. Die Wochenendtouristen stiegen in das salzig schmeckende Onsenwasser, bummelten abends am Strand, hörten Schlager in den Hotelbars und genossen den Wohlstand der japanischen Wirtschaftswunderjahre.

In den achtziger und neunziger Jahren war der Boom dann vorbei. Die Japaner flogen lieber nach Hawaii und Venedig oder vergnügten sich in Disneyland, statt sich in den riesigen Hotelburgen einzuquartieren, mit denen Atami mittlerweile zubetoniert war. Seit einigen Jahren scheint die Stadt aber auch diese Krise langsam zu überwinden.

Wer heute mit dem Zug die gut anderthalb Stunden von Tokio raus nach Atami fährt, findet sich in einer merkwürdigen Atmosphäre wieder: Moderne, elegante Appartementhäuser stehen neben heruntergekommenen Betonklötzen, Im Hafen liegen teure Yachten, während Geschäfte ein paar hundert Meter entfernt Kleider und Hemden anbieten, die vermutlich nicht mal die ältesten Landeier Japans überziehen wollen.





Freitag, 16. Januar 2009

Setagaya Boro Itchi


Zweimal im Jahr, im Januar und Dezember, pilgern Tokios Trödelfans zum Setagaya Boro Itchi, einem der größten Flohmärkte der Stadt. Die Atmosphäre ist großartig: Ojiisan schlurfen an den Ständen vorbei mit Dreitagebart und One-Cup-Sake, buckelige Tantchen wühlen in Kleidungshaufen, junge Frauen kaufen Yukata für den nächsten Sommer, Alt-Hippies verhökern Ethnokram, Männer fachsimpeln über gebrauchte Kameras und Handwerker bieten Trommeln, kleine Holzaltäre und Tonschalen an.

Natürlich fehlt auch das in Japan Wichtigste nicht: Essen. Von Yakisoba und Yakitori über Okonomiyaki, koreanische Pfannekuchen, Tintenfisch und Frankfurter bis hin zu Innereien-Suppe, Dango und Schokoladenbananen am Spieß kann man sich einmal quer durch das gesamte Spektrum des japanischen Fingerfoods essen. Gegen die Kälte hilft anschließend ein Becher Amazake, ein heißes Getränk aus fermentiertem Reis.



Japanischer Glücksbringer: Fukutaro




Spiel für Kinder: Plastikfiguren-Angeln


Künstler


Der Köln-Schal war schon ausverkauft - nehme ich an.




Reisstampfer


Gewürzverkäufer




Ojiisan möchte Trommeln kaufen

Donnerstag, 15. Januar 2009

Meine japanischen Lieblingswörter

Meine fünf Lieblingswörter der japanischen Sprache:

uketsuke (Rezeption, Empfang)
Erinnert mich immer an ruckizucki, siebziger Jahre, Partykeller, Mettigel, Karneval.

moshikashitara (vielleicht)
Klingt nach großem Orchester, nach Pauken, Becken und Trompeten: moshi … kashi… tara. Das Publikum springt begeistert auf, der Dirigent wischt sich die wenigen, aber langen Haare aus dem verschwitzten Gesicht.

potsupotsu (Ausschlag, Pickel)
Da sieht man sofort vor sich, wie eitrige Pickel aus öliger Teenagerhaut herausplatzen.

inemuri (Nickerchen)
In Tokios Bibliotheken hängt an so ziemlich jeder Wand der Hinweis “inemuri kinshi” – Schläfchen machen verboten. Allerdings ist das eine der wenigen Vorschriften, die so mancher Japaner beim besten Willen nicht befolgen kann, Daher geht hin und wieder eine Mitarbeiterin der Bibliothek umher und weckt die Delinquenten mit sanftem Händedruck wieder auf.

chuushajou (Parkplatz)
Wörter mit chyuu, shya und jyou kann ich mir nur sehr schwer merken. Leider verwendet das Japanische diese Laute sehr oft. Weil das Wort chuushajou ausschließlich aus diesen drei Lauten besteht, gehört es definitiv zu meinen Lieblingswörtern.

Unter Japanern steht das deutsche Wort “doch” hoch im Kurs. Ich kenne jedenfalls drei Japaner, die sich unabhängig von einander sehr für den Klang von “doch” begeistern. Für Verzückung sorgen auch „Knoblauch“, „gegoren“, und „kennichnich“.

Mittwoch, 14. Januar 2009

Mein Blick aus dem Fenster

Shane von der Nihon Sun hatte vor kurzem Englisch sprechende Japan-Blogger gebeten, den Blick aus ihren Fenstern zu fotografieren, um das "wahre Japan" zu zeigen. Leider habe ich weder eine Nikon D90 noch einen atemberaubenden Blick auf Shibuya, Shinjuku oder den Fujisan, aber ich fand die Idee gut. Hier also mein "wahres Japan".


Blick nach Südwesten: Das "Gender Equality Promotion Center" des Stadtbezirks. Auf der anderen Straßenseite, leider nicht im Bild, ist eine Grundschule. Deren Orchester hat im Sommer monatelang morgens um 7 Uhr die Titelmusik von Indiana Jones geprobt. Zeitweise hatte ich damals den dringenden Wunsch, mich in den Probesaal zu schwingen und die Peitsche knallen zu lassen, aber seitdem sie nicht mehr proben, fehlt mir die musikalische Untermalung ein wenig. Schließlich hat sie meinem allmorgendlichen Kampf gegen Müdigkeit und Schwerkraft etwas Heroisches verliehen.



Blick nach Südosten: Auf der rechten Straßenseite steht eine evangelische Kirche. Reingegangen bin ich noch nicht. Dafür war ich im Dezember in der deutschen evangelischen Kirche in Gotanda, um den Weihnachtsmarkt zu besuchen. Plötzlich so viele Deutsche auf einem Haufen zu sehen, war uns allerdings nicht geheuer und wir sind nach einem Glühwein wieder gegangen. Aufgefallen ist mir damals mal wieder wie unterschiedlich deutsche und japanische Kinder sind: . Die deutschen Kinder hatten ihre Sonntagsklamotten komplett mit Senf und Bratwurst bedeckt, Väter versuchten ihre Blagen von den Bäumen herunterzuholen, Mütter suchten verzweifelt nach ihrem Nachwuchs. Von japanischen Kindern habe ich so ein Chaos noch nicht gesehen. Was mir sympathischer ist, weiß ich nicht.



Blick nach Süden: Wir haben das Glück, dass wir mitten in Tokio immerhin auf ein kleines Stück Grün sehen können. Das Grundstück ist vermutlich ein Vermögen wert und der Besitzer hat meinen vollen Respekt dafür, dass er dieses Gestrüpp einem dicken Bankkonto vorzieht. Wegen des Gartens konnten wir im Sommer hören, wie die Grillen zirpten (oder die Zirpen grillten??).



Neben dem Garten: Die obligatorischen Getränkeautomaten, die in Japan überall stehen. Sie sehen nicht schön aus und spielen völlig unvermittelt nervenaufreibende Musikstücke, aber sie sind ungemein praktisch. Im heißen Sommer kann man sich kühlen Eistee ziehen, im Winter gibt es zudem heißen Kaffee und Tee.


Blick nach Norden: Das Wohnhaus auf der linken Seite, das sich so harmonisch in die Landschaft schmiegt, ist vor einigen Monaten fertiggestellt worden. Rund drei Kilometer weiter wird gerade ein weiteres Hochhaus in der exakt gleichen Architektur gebaut. In Japan gehen rund 80 Prozent des Baubudgets für den Kauf des Grundstücks drauf. Da bleibt manchmal nicht mehr viel Geld für den Architekten.

Sonntag, 11. Januar 2009

Chigasaki


Heute am Strand von Chigasaki, morgen Feiertag: Gute Zeit!



Freitag, 9. Januar 2009

Taishakuten Tempel


Spiegelungen im Fenster des Taishakuten Tempels in Shibamata

Donnerstag, 8. Januar 2009

12.000 Yen für jeden Politiker

Japans Politik überrascht mich immer wieder: Die Regierung möchte demnächst allen Bürgern 12.000 Yen auszahlen, um den Konsum zu beleben. So weit, so umstritten. Anfang der Woche hat nun der Generalsekretär der Regierungspartei LDP gefordert, dass auch alle Parlamentsabgeordneten den Geldbetrag erhalten sollten. Schließlich stünden die Politiker ebenfalls in der Pflicht, etwas für den Konsum zu tun. (Mein erster Gedanke war: Die tun doch schon eine Menge für die Wirtschaft - sie hängen jeden Abend in den teuersten Clubs von Ginza rum. Aber dann ist mir wieder der Bericht über einen der exklusivsten Hostessenclubs der Stadt eingefallen, der vor kurzem bankrott ging. Vielleicht ist die Idee mit dem Geld für Abgeordnete doch nicht so schlecht...)

Ähnliches politisches Fingerspitzengefühl bewies vor einigen Tagen LDP-Mitglied Tetsushi Sakamoto. Der hochrangige Parlamentsabgeordnete fragte sich, ob die Bewohner eines temporären Obdachlosenasyls in Tokio tatsächlich ernsthaft Arbeit suchen würden. Mittlerweile hat er sich dafür entschuldigt, aber die LDP ist vermutlich wieder um einige Wähler ärmer. Schon erstaunlich, wie unsensibel die LDP agiert, obwohl sie derzeit immer weiter in Richtung Wählerstimmenverluste/Wahldebakel/Zersplitterung taumelt.

Mittwoch, 7. Januar 2009

Der 9-Millionen-Yen-Thunfisch

Neues aus der Kategorie “Zahlen, mit denen man auf Stehempfängen glänzen kann”: Auf dem Tokioter Fischmarkt Tsukiji wurde am Montag der zweithöchte Preis erzielt, der je für einen Thunfisch gezahlt wurde. Ein 128 Kilogramm schwerer Blauflossen-Thunfisch ging für 9,63 Millionen Yen weg, derzeit ungefähr 76.600 Euro. Gekauft hat den Thunfisch ein Sushibar-Besitzer aus Hong Kong. Der bislang höchste Preis wurde im Jahr 2001 gezahlt. Damals brachte ein Thunfisch bei einer Auktion in Tsukiji 20,2 Millionen Yen.

Zuletzt haben die wichtigsten Fangländer beschlossen, die Fangquoten für Thunfisch schrittweise zu reduzieren, um viele Thunfischarten vor dem Aussterben zu bewahren. Japan darf in diesem Jahr 1.870 Tonnen fangen, im vergangenen Jahr waren es noch 2.345 Tonnen. Thunfisch wird daher teurer und auf den Theken der Sushibars landen immer mehr Thunfische, die in Fischfarmen gezüchtet wurden.

Der größte Thunfischhändler der Welt ist in Deutschland eher für langweilige Familienkarossen bekannt: Mitsubishi. Der japanische Konzern war nach Angaben von Greenpeace im Jahr 2006 verantwortlich für 35 Prozent des Welthandels mit sushi-geeignetem Thunfisch.

Dienstag, 6. Januar 2009

Godzilla vs. James Bond

In keinem industrialisierten Land startet der neue James-Bond-Film so spät wie in Japan. Premiere ist hier erst am 24. Januar. Bis dahin kann man sich wenigstens mit dem Monster- und Science-Fiction-Film-Festival trösten, das seit heute läuft. In den kommenden sechs Wochen zeigt das National Film Center insgesamt 40 Filme, darunter bekannte Klassiker wie Godzilla, die Motte Mothra und Varan, der Unglaubliche, die alle drei aus dem Toho-Filmstudio stammen. Darüber hinaus kann man aber auch wenig bekannte Filme des Genres sehen. Das Programm steht in japanischer Sprache auf der Homepage des National Film Centers.

Tetchan, der Unglaubliche vom Planeten Kanagawa


Godzilla vs. Mothra

Montag, 5. Januar 2009

Kouhaku


Der Kouhaku Uta Gassen ist vorbei. Was bleibt, sind Erinnerungen und Erkenntnisse über Musik und Mitmenschen:

- Verpasst habe ich leider "Gake no ue no ponyo", das mir schon seit Wochen nicht mehr aus dem Kopf geht.

- Dafür verfolgt mich jetzt ein neuer Ohrwurm: Summ - Summ, Summ, Summ - doko, dargeboten von Hikawa Kiyoshi, auch bekannt als der Prince of Enka. Der Enka-Prinz war der letzte Sänger, der bei dem Musikwettbewerb aufgetreten ist, was hier als Ritterschlag der Schlagerbranche gilt. Prinz Enka war denn auch entsprechend zu Tränen gerührt und zog in emotionaler Ekstase höchst merkwürdige Fratzen. Sein Lied hat mich sehr an Dschinghis Khan erinnert, deren "Moskau, Moskau" ich hier schon des öfteren bei Karaoke-Abenden "interpretiert" habe.

- Einen tränenreichen Auftritt legte auch Jero hin. Seiner Mutter flossen schon vor dem Auftritt dicke Tränen der Rührung übers Gesicht.

- Generell habe ich mal wieder festgestellt, wie wenig ich mit JPop anfangen kann. Alte Enka-Sänger und Sängerinnen gefallen mir viel besser.